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Abziehsteine für das Schärfen des Mikrotommessers

Dem Anfänger sei an dieser Stelle zunächst nur so viel über den Abziehstein verraten:

    Wir brauchen einen möglichst feinkörnigen, vollkommen ebenen Stein mit hartem Bindemittel in den Mindestmaßen 20 x 5 cm. Er wird ausschließlich zum Schleifen der Mikrotommesser benützt; man leiht ihn niemals aus, auch nicht dem besten Freund.

(Zitat aus Dr. Dieter Krauter: Abziehen des Messers auf Riemen und Stein. In: Mikrokosmos 68, 1979 119-124.)
Dr. Krauter hat 40 Jahre lang die Zeitschrift MIKROKOSMOS herausgegeben. Er ist kein Freund überflüssiger oder "starker" Worte. Wenn er dennoch in diesem Ausnahmefall betont, daß der Mikroskopiker seinen Abziehstein sorgsam wie seinen Augapfel behüten möge, dann sollte man das ernst nehmen.

Der Belgische Brocken ist für ältere Mikroskopiker und Mikrotomisten der Inbegriff des Abziehsteins schlechthin, das Nonplusultra. Geologisch betrachtet handelt es sich um Klastobiolite mit sehr homogener Einlagerung von Granaten als Schleifpartikel. Jahrhundertelang hochbegehrt, sind heute die oberflächennahen Bestände des cremefarbenen Steins weitgehend erschöpft. Aus dünnen Schichtungen konnten nach 1950 noch Restbestände von passabler Qualität gewonnen werden. Dann sank die Gebrauchsqualität der belgischen Steine, weil die Vorkommen erschöpft waren und infolge von erdbebenartigen Verschiebungen nur noch kleinere Steine gewonnen werden konnten. Ab Mitte der fünfziger bis sechziger Jahre wurden dann die Arkansas-Steine und ab den achtzigern die japanischen Wasser- und Ölsteine gekauft. Inzwischen ist wieder ein ergiebiges Vorkommen in den Ardennen entdeckt worden und wird fachkundig ausgebeutet.
Die Belgischen Brocken sind die gelben Steine mit unregelmäßigen Abmessungen und Formen. Die gelben sind "schnelle" Steine, ergeben aber trotzden eine superfeine und saubere Schneide ohne viel Abrieb. Sie sind auch als Banksteine in vielen quaderförmigen Abmessungen lieferbar. In der Regel sind sie mit einer stabilisierenden Schieferlage verklebt, weil die Vorkommen nur selten dickere Steine enthalten. Die gelben Steine bekommt man momentan nur als seltene Einzelstücke größer als 20 x 5 cm, doch schon bei diesen Abmessungen sind sie teuer genug.

Die blauen belgischen Wassersteine aus denselben Steingruben und ebenfalls zu den Belgischen Brocken gezählt, sind als Banksteine zu haben. Der blaue Belgier ist etwas langsamer, weil der Anteil der rundlichen Granatkristalle in den Einschlüssen geringer als beim gelben ist. Nichtsdestoweniger macht er Rasier- und Mikrotommesser genau so scharf wie der gelbe. In der praktischen Handhabung ist er eher von Vorteil, weil er mit 25 cm Länge geliefert werden kann und bis zur Breite von 10 cm. Das ist für lange Mikrotommesser ideal, denn weil der Messerrücken mit der Abziehhülse immer auf dem Stein liegen muß, sind die nutzbare Streichbahn für die breiten Messer und die größere Breite gerade richtig.

Der Preis für einen gelben Bankstein von 20 x 5 cm liegt bei 150 Euro, ein feiner blauer Wasserstein von 25 x 7 cm kostet 55 Euro. (Die künstlichen Wetzsteine aus Arkansas oder Japan sind keineswegs billiger, im Gegenteil.)
Siehe Internetadresse: Belgische Brocken.

Inzwischen ist auch wieder ein thüringischer Wasserabziehstein lieferbar, der offenbar von ausgezeichneter Qualität ist. Ich zitiere hierzu den Moderator "Gerhard" des Internet-Forums www.NassRasur.com.

    "Neben den zurecht gerühmten synthetischen Steinen aus Japan und den geradezu klassischen Belgischen Brocken möchte ich Euch heute einen weiteren Naturstein wärmstens empfehlen: Den Thüringer Wasserabziehstein
    Auch dieser Stein war vor Jahrzehnten ein weit verbreiteter und beliebter Stein für Rasiermesser (... Hobeleisen, Schlachtermesser ...) (man findet bei ebay gelegentlich welche). Weil der Steinbruch aber zu DDR-Zeiten nicht mehr benutzt wurde und eingefallen war, ist er weitestgehend in Vergessenheit geraten. Nun wird er dort sei einigen Monaten wieder gefördert!

    Ich habe mir einen schönen Bankstein bestellt und finde ihn klasse. Man kann das ohne das entsprechende Labor ja immer nur so gefühlsmäßig sagen, aber ich empfinde es so: Er ist auf jeden Fall feiner als der japanische 8000er, er ist auch mindestens so fein wie der gelbe Belgische Brocken. Dabei hat er eine super geeignete Härte, nicht zu weich und nicht zu hart (wie etwa der Arkansas). Er greift schön zu, aber mit wirklich super feinem Korn. Die Schärfe ist absolut klasse.
    Ganz interessant: Der Stein wird wie wild nach Israel exportiert, weil er dort als DER Stein zum Schärfen der Messer gilt, mit denen die Beschneidungen durchgeführt werden (mehr muß man wohl nicht sagen).

    Für meinen Bankstein (245 x 40 x 24) habe ich € 58,50 (incl. MWSt. zzgl. Versand) bezahlt - ein kleiner Anreiber lag mit bei.

    Bezugsquelle:
    MST Müller-Schleiftechnik
    Postfach 1227
    55580 Bad Münster am Stein
    Tel.: 06708-2868
    Homepage MST"

Soweit also "Gerhardt".
Vielleicht muß sich mit Geduld wappnen, wer einen größeren Stein haben möchte,
denn Herr Müller von MST hat mir im Juli 2005 mitgeteilt, daß momentan nur Steine bis 20 x 5 cm geliefert werden könnten; größere seien ausgesprochen schwierig zu bekommen.

Mehr soll heute über Abziehsteine nicht gesagt sein. Eine ausführliche Anleitung zum Abziehen auf Stein und Leder finden Sie hier: Das Schneiden in der Mikroskopie, Teil Drei: Das Abziehen des Messers auf Riemen und Stein.

Nun noch eine Anmerkung zur Terminologie. Es handelt sich um Wetz- oder Abziehsteine, auf denen Messerklingen geschärft, gewetzt oder abgezogen werden - nicht geschliffen. Geschliffen wird auf einem Rundstein bzw. heutzutage wohl meist auf einer automatischen Mikrotommesser-Schleifmaschine beim Messerhersteller. Wenn ein Mikrotommesser Scharten hat, muß es an einen Mikrotommesser-Hersteller eingeschickt werden. Eine Scharte selber mit einem Abziehstein zu entfernen, ist nicht möglich, weil zur Korrektur auch gehört, nicht nur die Fase oder Facette wieder winkelgenau anzuschleifen. Denn die Klinge ist durch das Ausschleifen der Scharten kürzer geworden, ihr Anstellwinkel nun etwas steiler. Deshalb müssen auch die Klingenflächen nachgeschliffen werden, sonst stimmen beim Abziehen mit der Abziehröhre die Facettenwinkel nicht mehr. Das Schärfen und das Schleifen beim Mikrokomhersteller ist nicht mehr so teuer wie noch vor 20 Jahren, als noch alles in Handarbeit gemacht wurde.
KH



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