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Wie man alte Hölzer mit der Rasierklinge schneidet



Iris Burchardt hat uns - als kleines Dankeschön für unsere Seiten zur Schneidetechnik sozusagen - ihren Schneidetrick mit der Rasierklinge mitgeteilt. Er ist so interessant, daß man nicht lange braucht, um weitere Anwendungen dafür zu finden. Wir bringen die Darstellung ihrer Rasierklingentechnik deshalb als Ergänzung zu unseren Schneidetechnik-Seiten. Frau Burchardt schreibt:

"Ich arbeite hier an der Universität Stuttgart im Bereich der Jahrringforschung an Bäumen und ein klein wenig im Bereich Holzanatomie."

"Bei einer vorherigen Tätigkeit im Landesdenkmalamt Baden-Württemberg hatte ich mit archäologischen Hölzern zu tun, die teilweise schon sehr stark abgebaut waren (z. B. Pfähle von Pfahlbausiedlungen). Außerdem waren sie stark und nicht immer auswaschbar mit Schlamm oder Sand verschmutzt. Rasierklingen als Wegwerfartikel sind da die einzige Lösung, um die Oberfläche so zu bearbeiten, daß die Jahrringstruktur unter dem Binokular sichtbar wird. An schwierigen Stellen wurden für diesen Zweck auch "Dünnschnitte" hergestellt."

"Für beides wurde die Rasierklinge in der rechten Hand zwischen Daumen und Mittelfinger am Rand gefaßt und mit dem Zeigefinger leicht durchgebogen. Dann wurde im leichten Bogen, sowohl in vertikaler als auch in horizontaler Richtung, von außen nach innen am Holzstück geschnitten. Die Fingerkuppen lassen sich dabei sehr gut durch ein Stück Heftpflaster oder Leukotape schützen, das um die Finger gewickelt wird.

Wem das immer noch zu gefährlich ist, kann die der Hand zugewandte Seite der Rasierklinge mit Malerkrepp oder Tesa abkleben (dafür aber kein Pflaster oder Tape verwenden, die Rasierklinge schneidet beides durch, außerdem geht so die Hälfte der nutzbaren Klinge verloren).

Das Holz (hier Wacholder aus Tibet) wird zum Bearbeiten mit Wasser angefeuchtet, um die Fasern etwas weicher zu machen, deswegen die dunklere Spur auf dem Holz."

"Hier noch ein Beispiel, wie eine mit der Rasierklinge präparierte Oberfläche unter dem Binokular aussehen kann. Es handelt sich dabei um ein Stück einer Moorkiefer aus einem süddeutschen Hochmoor. Als Kontrastmittel wurde Kreidestaub verwendet.

Mit der gleichen Technik, allerdings mit stabileren Klingen, läßt sich die Oberfläche von fast allen Holzarten bearbeiten, bis hin zu Eichenholz. Für hartes Holz verwenden wir Industrierasierklingen, wie sie z. B. in den Schabern zur Reinigung von Cerankochfeldern eingesetzt werden. Natürlich waren die "Dünnschnitte" ungleichmäßig dick und für tiefergehende mikroskopische Untersuchungen bei hohen Vergrößerungen wahrscheinlich ungeeignet, aber am Rand doch gut zu erkennen. Die Jahrringmessanlage war am Binokular angebracht. Deswegen wurden die Objektträger auf ein durchsichtiges, mit weißem Papier ausgelegtes Plastikgefäß gelegt. Das weiße Papier wurde mit der Schwanenhalslampe angestrahlt und sorgte für 'Durchlicht'".



Bilder und Text mit freundlicher Genehmigung von Frau Iris Burchardt,
Dipl.-Geogr. am Institut für Geographie der Universität Stuttgart.

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September 2005



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