100 Jahre      Mikrobiologische Vereinigung München e. V.     1907 - 2007
 


Vereinsgeschichte der MVM

Die Mikrobiologische Vereinigung München ist nicht nur die älteste, sondern - nimmt man es nicht ganz genau - auch die "Ur-Mutter" aller Mikroskopiker-Vereinigungen im deutschsprachigen Raum. Bei ihrer Gründung im Februar 1907 waren es 100 Mitglieder, im Juli schon 2000, zwei Jahre später 4000, aber 1923 nur noch 14, heute 60. Ihre Geschichte ist nämlich verwoben mit Aufblühen und Niedergang der Deutschen Mikrologischen Gesellschaft.

Anfang 1907 erschien in der Franckh'schen Verlagshandlung zu Stuttgart das kleine Büchlein "Streifzüge im Wassertropfen" von Raoul Heinrich Francé. Der Verfasser plaudert anmutig und mitreißend über eine unbekannte Welt, die nur das Mikroskop offenbart.Titelblatt Streifzüge im Wassertropfen Begeisterung flammt auf, als ob alle darauf gewartet hätten: Der ersten Auflage im Januar folgte im Juli desselben Jahres bereits die dreizehnte! Francé schließt mit einem Aufruf: "Man kommt nämlich von dem Zauber der Kleinwelt nicht so leichten Kaufes los ... Aber ich weiß, alle schrecken zurück, wenn es ihnen an Rat und tatkräftigem Beistand fehlt zu den ersten Schritten ... Schließen wir uns also zusammen! ... Gründen wir eine mikrologische Gesellschaft, die den Gebrauch der Mikroskope volkstümlicher machen will und die ganze große Vertiefung der neueren Wissenschaft vom feinen Bau und Leben der Pflanzen und Tiere dem Verständnis näher rücken wird ..."

Ein halbes Jahr danach hat die Deutsche Mikrologische Gesellschaft schon 2000 begeisterte Mitglieder, nach einem weiteren Jahr 4000. Sie ist eine überregionale Vereinigung mit vielen Ortsgruppen in ganz Deutschland. Ihr Initiator gründet auch gemeinsam mit der Franckh'schen Verlagshandlung eine "Zeitschrift zur Förderung wissenschaftlicher Bildung: Mikrokosmos." (Wenige Jahre zuvor war Francé auch Mitbegründer der Kosmos-Gesellschaft der Naturfreunde und der Zeitschrift Kosmos, die wie kaum eine andere zur Volksbildung im deutschen Sprachraum beigetragen hat und es noch immer tut.) Die DMG gründet und leitet außerdem das "Biologische Institut" in München, das Lehrer, Assistenzkräfte und Amateure in Mikroskopie ausbildet sowie Wissenschaftler beschäftigt, mit denen Francé einige Jahre später die Grundlagen der modernen Bodenbiologie erarbeiten wird.

1909 folgt der Eintrag der DMG in das Vereinsregister. Im Verlauf der Kriegsjahre 1914 bis 1918 zerfällt die DMG, das Vermögen verschlingt die Inflation, und das Institut wird von marodierenden Horden beim Münchner Räteaufstand 1919 mutwillig zertrümmert. Aber für begeisterte Liebhaber, kann das nur Anlaß sein, von neuem zu beginnen: 1923, mitten in der Inflation, gründen 14 Amateure, zum Teil ehemalige Mitglieder der DMG, die Mikrobiologische Vereinigung München. Die treibende Kraft dabei ist der Kunstmaler und Bühnenbildner Professor Dr. med. h. c. Fritz Skell. Beinahe gleichzeitig gibt es auch entsprechende Vereinsgründungen in vielen anderen großen und mittleren Städten.

Durch den Beitritt von Wissenschaftlern, wie Professor Dr. Ammann, Dr. Seiffert, Dr. Kleintjes, Professor Dr. Thaler, Dr. Graf Vitzthum von Eckstädt und durch zahlreiche Publikationen der Mitglieder in der "Zeitschrift für wissenschaftliche Mikroskopie", im "Mikrokosmos" und in der "Mikroskopie für Naturfreunde", kommt die Vereinigung zu Ansehen und Mitgliederzuwachs.

Unter ihrem ersten Vorsitzenden, Obersteuerinspektor F. Rieger, erlebt die Münchner Vereinigung eine Blütezeit. Der Mitgliederstand pendelt in jenen Jahren zwischen 35 und 57, an den Vortrags- und Lichtbilderabenden kommen nicht selten 100 Zuhörer. Preisausschreiben und die Bekanntgabe der Veranstaltungen in Zeitschriften und Tagespresse zeugen von regem Vereinsleben. Die Namen mancher Mitglieder, wie Professor Dr. Skell, Dr. Graf Vitzthum von Eckstädt u. a. werden auch heute noch in der Fachliteratur erwähnt. Professor Dr. Thaler, seit 1927 Mitglied, Ehrenvorsitzender, hat 62 (!) Jahre lang an Vereinsabenden sorgfältig vorbereitete Vorträge gehalten.

Eine immer wiederkehrende Sorge bereitet das "Vereinslokal". Man fand Unterschlupf im Telegrafenamt, im Geschäftszimmer der Säuglingsfürsorge, war fast sieben Jahre lang im südlichen Isartorturm, dem heutigen "Valentin-Musäum", dann in einem Schulhaus in der Blumenstraße. Zwischen 1923 und 1945 muß man nicht weniger als sechs Mal umziehen.

Kriegs- und Nachkriegszeit bringen einen Niedergang des Vereinslebens. Nur mit Mühe gelingt es, einen Teil des Gerätebestandes zu erhalten. Die wertvolle Bibliothek wird auf abenteuerliche Weise gerettet, einige Mikroskope versteckt man auf Bauernhöfen und in Bienenkörben. Der damalige Vorsitzende, Schulrat Auer, steuert den Verein geschickt durch diese kritische Zeit.

1950 wird mit einem Referat von Herrn Professor Skell die Vereinsarbeit wieder aufgenommen. Und wieder beginnen die Raumsorgen. Der Fürsprache von Professor Thaler ist es zu verdanken, daß die MVM im Berufspädagogischen Institut in einem Raum der TU München ein Unterkommen findet. Vorsitzender ist jetzt Postoberamtmann Bernecker, er sammelt manche der "versprengten" früheren Mitglieder wieder ein und gewinnt neue. Von ihm übernimmt 1973 der Zoologe Siegfried Hoc den Vorsitz. Schon bald schreibt Professor Thaler, nun in Braunschweig: "Ich sehe mit Vergnügen, wie die Vereinigung zu neuem Leben aufgeblüht ist. Mir tut's nur leid, daß ich so weit vom Schuß sitze, ich wäre ja so gern dabei ...".

Man knüpft wieder Verbindungen zu anderen Vereinigungen, zu den Wienern, den Stuttgartern und den Zürichern. Einige MVM-Mitglieder sind auch Mitglieder der Mikroskopischen Gesellschaft Zürich.

Die Mitgliederzahl hat sich seit 1980 von 22 auf über 50 beinahe verdreifacht, eine Entwicklung, die unter den heutigen Vereinen, die allgemein unter Mitgliederschwund leiden, eher ungewöhnlich ist und wohl so gedeutet werden kann, daß die Freizeitbeschäftigung mit biologischen Themen einem wachsenden Bedürfnis entgegenkommt. Auch hat das Selbst-Erleben und Selbst-Erarbeiten biologischen Wissens mit dem Mikroskop seinen eigenen Reiz.

Andere "Mikrobiologische Vereinigungen" sind fast ebenso alt wie die Münchner, z. B. die in Hamburg, Wien, Antwerpen. Auch nach 1945 entstanden etliche neue Vereinigungen in Zürich, Den Haag, Hagen, Stuttgart, Hannover, Duisburg, Würzburg, Berlin, Mannhein, Bremen, Köln u. a. sowie die Arbeitsgemeinschaft BONITO e.V. (Limnologie) in Himmelpforten (Nd.-Elbe). Allein in den letzten 15 Jahren wurden 5 von ihnen gegründet.

In diesem Jahr feiert die Mikrobiologische Vereinigung München ein besonderes Jubiläum, sie ist 100 Jahre alt geworden. In Zusammenarbeit mit dem renommierten Münchner Museum Mensch und Natur stellt sie ihre Geschichte und ihre Tätigkeit in Wort und Bild dar und gibt durch Fotos und Video-Clips einen Einblick in die faszinierende Mikrowelt. Im November 2007 wird der bekannte Bionik-Wissenschaftler Professor Dr. Werner Nachtigall den Festvortrag im Museum halten.

Nach hundert Jahren ist also die Idee noch immer so frisch und aktuell wie am ersten Tag.



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