100 Jahre      Mikrobiologische Vereinigung München e. V.     1907 - 2007
 


Ratschläge für das Gespräch mit Verkäufern

Das oft akademisch ausgebildete Fachpersonal in Vertrieb und Technik des Mikroskopherstellers ist teuer. Deshalb zählt auch im Vertrieb jede Minute. Der "Vertriebsrepräsentant" - oder wie Verkäufer heutzutage sonst noch genannt werden - hat eine Ausbildung als Verkäufer, aber nicht in Planktonkunde. Es ist deshalb nicht zielführend, ihn mit Fragen zu Ihrem biologischen "Fachgebiet" zu quälen. Es ist auch nicht hilfreich, ihn zu fragen, ob Ihnen die geringere Brillanz, Schärfe und Farbsättigung genügen werden, wenn Sie Phasenkontrastobjektive im Hellfeld verwenden. Das können allein Sie selbst beurteilen, niemand sonst. Es ist auch keine gute Idee, den Verkäufer in langwierige Diskussionen über die Qualitätsunterschiede von Planachromaten und Fluoritobjektiven zu verwickeln. Die Kunden, mit denen er sonst zu tun hat, kennen die Unterschiede. Der Verkäufer möchte Ihnen gerne ein Mikroskop verkaufen, aber nicht Ihnen in fünf Minuten die Grundzüge der Mikroskopie erklären. Der Botanikprofessor Dr. Leopold Dippel hat schon 1882 dafür tausend Buchseiten gebraucht. Das ist sicherlich nicht das Metier jedes Mikroskopverkäufers. Dessen Geduld und Wohlwollen würden mit solchen Erwartungen auf eine zu harte Probe gestellt. Sein Wohlwollen werden Sie aber später einmal brauchen, wenn Sie z. B. versuchen, ein nicht mehr lieferbares Zubehörteil aufzutreiben oder einen Fingerhut voll Spezialfett.

Glauben Sie bitte nicht, die Bestimmung der erforderlichen Leistungs- und Ausstattungsmerkmale des Instruments eines Hobby-Mikroskopikers sei doch viel einfacher als bei einem Systemmikroskop für ein Forschungsinstitut und deshalb im Handumdrehen erledigt. Nicht selten ist es umgekehrt. Denn weil sich Amateure meist - und zurecht - nicht auf das Mikroskopieren nur ganz bestimmter Objekte festlegen möchten, sind schmerzliche Kompromisse beim Zusammenstellen der Leistungsmerkmale unumgänglich, denn das private Hobby-Budget begrenzt oftmals die wünschenswerte Freiheit bei ihrer Auswahl.

Das Akquisitions- oder Verkaufsgespräch ist nicht der geeignete Zeitpunkt, erst herauszufinden, was Sie eigentlich mit dem Mikroskop machen möchten und was es deshalb können sollte. Die normalen Kunden des Verkäufers sind Mediziner, Biologen eines Uni-oder privaten Instituts, Anwender aus der Qualitätssicherung der Industrie, Metallurgen usw. Sie alle wissen, was Mikroskope leisten können, was ihr neues Mikroskop können muß, und welche Ausrüstung sie dafür benötigen, weil das zu ihrem Berufswissen gehört oder sie fachkundige und erfahrene Mikroskopiker sind. Interessenten, die ein Mikroskop mit bestimmten Leistungsmerkmalen nicht beruflich brauchen, sondern eines mit unbestimmten als Hobby-Instrument eventuell gerne möchten, sind in den Augen eines Verkäufers schwierige Leute, die er nicht einschätzen kann. Auch der bestens geschulte Verkäufer kann einen profunden Ratgeber für ein noch vages künftiges Steckenpferd nicht ersetzen.

Wenn Sie den Verkäufer verunsichern und verärgern möchten, weisen Sie am besten mehrmals darauf hin, daß dieses oder jenes Ausstattungsmerkmal bei der Konkurrenz preiswerter ist. Als ob er das nicht selbst wüßte!

Wenn Sie nicht wissen, was ein Kondensor ist, wie stark die Okulare vergrößern sollen, ob Sie fotografieren möchten, digital oder konventionell auf Film etc., dann sollten Sie sich solches Wissen vorher gründlich aneignen und den Verkäufer erst danach kontaktieren, damit er Sie als fachlich informierten Interessenten erkennt und mit Ihnen auf seiner gewohnten Fachebene sprechen kann. Sonst kann es - ohne seine Schuld - zur Falschberatung kommen, was aber letzten Endes Ihr Lehrgeld kosten wird. Die Homepage der Mikrobiologischen Vereinigung München e. V., in der Sie gerade lesen, hält viele Beiträge bereit, die Ihnen fundierte Informationen in Sachen Mikroskop und Mikroskopie bieten. Das kann eine gute Grundlage für ein erfolgreiches "Fachgespräch" mit dem Vertreter eines Mikroskopherstellers sein.

Bietet der Verkäufer eine Demonstration des infrage kommenden Mikroskopmodells an, stellen Sie sicher, daß Sie zum vereinbarten Termin passende Präparate haben, deren Wiedergabe Sie im Mikrokop prüfen können. Die Präparate des Verkäufers, meistens gefärbte Blutausstriche oder histologische Schnitte à la Maus/Arterie/quer können Anfänger nicht beurteilen. Halten Sie auch ein Diatomeen-Testpräparat bereit und einen mehrfach-gefärbten Schnitt durch einen Pflanzenstengel, am besten sowohl einen dünnen Mikrotomschnitt als auch einen dickeren Handschnitt. Es ist auch wichtig, daß Sie die ausgesuchten Präparate schon einmal in einem einwandfrei justierten Instrument betrachtet haben, weil Sie sonst gar nicht beurteilen können, ob Ihr Wunschmikroskop die Bildqualität bietet, die Sie sich vorstellen (können). Doch wie kommt man an ein "einwandfrei justiertes Instrument", um zu erleben, was ein gutes Mikroskop zeigen kann? Tja ... da ist guter Rat wirklich teuer, denn wenn Sie nicht in oder nahe einer Universitätsstadt mit naturwissenschaftlichen oder medizinischen Fakultäten wohnen, wo Sie sich mit der Bitte um Beratung anmelden können, müssen Sie auf die Reise gehen. Vielleicht finden Sie auch einen Ratgeber in einem Mikroskopie-Forum des Internet, der Sie zu einer Stunde am "einwandfrei justierten" Mikroskop einlädt. Die kurze Fahrt oder längere Reise dorthin wird Geld kosten. Doch stellen Sie sich bitte vor, was es kosten würde, wenn Sie mit Ihrem knappen Geld ein falsches oder qualitativ unzureichendes Instrument kaufen würden!

Wichtig bei Mikroskopkauf sind auch Umfang und Frist der Gewährleistung des Verkäufers sowie der darüber hinausgehenden Garantieleistungen des Herstellers. Bei einem Kauf, der nicht unter das Fernabgabegesetz für Versandgeschäfte fällt (14 Tage Rücksendefrist bei Rücktritt vom Kauf), läßt man sich am besten eine ausreichende Testzeit, innerhalb der das Instrument zurückgegeben werden kann, schriftlich im Kaufvertrag bestätigen. Auch alle anderen vereinbarten Details sollten schriftlich festgehalten sein. Bleiben Sie in diesem Punkt hartnäckig und unterzeichnen Sie den Kaufvertrag erst danach.

Die Fabrikation und der Verkauf von Mikroskopen ist, wenn renommierte Herstellerfirmen beteiligt sind, eine seriöse Branche, in der ein Kunde nicht übervorteilt wird. Verkäufer von wissenschaftlichen Instrumenten vertrauen aber darauf, daß Ihre Kunden sich mit der Materie auskennen, tatsächlich wissen, was sie brauchen und deshalb kaufen müssen. Mit einem ahnungslosen Greenhorn rechnen sie in der Regel nicht. Von einem Hersteller, dessen weltweit guter Ruf sich auf herausragende Qualität von Optik und Mechanik gründet, erhalten Sie bei Rückgabe von versehentlich gekauften Sachen selten mehr als etwa 30 % des Kaufpreises zurück. Denn gebrauchte Teile wieder als neu zu verkaufen, kann sich eine solche Firma nicht leisten. Deshalb sind Sie selbst der "Lackierte", wenn Sie einen Fehlkauf tun. Ein Händler kann eventuell kulanter sein, wenn er den Kunden behalten möchte und eine Retoure prüfen und wieder verkaufen kann.

Und nun: Augen auf, gut Kauf und viel Freude mit dem neuen Mikroskop!


K. H. 4.4.05


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