100 Jahre      Mikrobiologische Vereinigung München e. V.     1907 - 2007
 


Planobjektive - wozu eigentlich?

Von Klaus Henkel


In Anleitungen zur Mikrofotografie liest man oft, daß man für scharfe Mikrofotos Planobjektive benötigt, am besten natürlich Planapochromate oder mindestens Planfluoritobjektive. Von einem technisch-optischen Blickwinkel aus gesehen, stimmt das durchaus, doch kann man die Frage auch differenzierter betrachten. Der Anlaß dafür ist einleuchtend: der Preis. Beispiel aus der Preisliste Carl Zeiss, Oberkochen 1990: Objektiv 40:1 / 0,65; Achromat DM 256; Plan-Achromat DM 925; Objektiv Neofluar 40 / 0,75: DM 1.046, Plan-Neofluar: 2.355; Objektiv Plan-Apochromat 40 / 0,95: DM 3.681. Die gesteigerte Qualität der Neofluare und besonders des Apochromaten ist nur nutzbar mit besonders korrigierten Okularen: 2 Stück davon à DM 474 für die Beobachtung, eines für die Fotografie zu DM 976; alles zuzügl. MwSt. Zugegeben, es ist ein "hochpreisiges" Beispiel. Aber auch bei etwas geringeren Preisunterschieden als dem Zwanzigfachen lohnen sich durchaus einige Überlegungen.


Was sind eigentlich Planobjektive?

Planobjektive sind so berechnet, daß sie nicht den Abbildungsfehler der Bildfeldwölbung bzw. Bildkrümmung aufweisen. Seine Beseitigung ist sehr schwierig, vor allem bei stark vergrössernden Objektiven, die einen Strahlenkegel von großer Öffnung aufnehmen müssen. Als Voraussetzung müssen nämlich gleichzeitig eine Reihe anderer Linsenfehler beseitigt sein: die sphärische Aberration oder der Öffnungsfehler, die Koma oder der Sinusfehler und der Zweischalenfehler oder Astigmatismus. Eine wirkliche Bildfeldebnung ist dem Optikrechner oftmals kaum möglich, ohne daß er unter Umständen noch merkliche Spuren von Astigmatismus zuläßt. Der optische Aufwand an zusätzlichen Linsen unterschiedlicher Brechkraft und Dispersion ist groß. Ein Blick ins Objektivinnere zeigt es: Genügen bei einem Achromaten 40 :1 / 0,65 n. A. 5 Linsen, so sind es beim Planachromaten schon 9, beim Planapochromaten sogar bis zu 13 Linsen. Die Preisunterschiede sind also erkärlich.

Vor der Erfindung der Planobjektive 1938 durch Boegehold (Zeiss) hat man die Bildfeldkrümmung so gut es ging mit Okularen auszugleichen versucht. Dazu Michel 1950 in Die Grundzüge der Theorie des Mikroskops: "Der Versuch, auch die Krümmung der vom Objektiv entworfenen Bilder durch eine entgegengesetzte Krümmung der vom Okular erzeugten Bilder auszugleichen, ist weniger erfolgreich (als die Beseitigung der Farbvergrößerungsdifferenz) gewesen. Das liegt im wesentlichen daran, daß sie niemals für alle Objektive auf den gleichen Betrag gebracht werden kann und bei starken Objektiven sehr groß ist. Lediglich bei einigen schwächeren Objektivsystemen läßt sich die Bildkrümmung mit normalen Okularen einigermaßen erfolgreich ausgleichen. Zur Kompensation von starken Krümmungen reichen aber die bei den üblichen Typen zur Verfügung stehenden Mittel nicht aus."

Die renommiertesten Mikroskopfirmen stellen strenge Anforderungen an ein Planobjektiv. Es muß das gesamte Bildfeld scharf abbilden, bis zum Rand darf sich keine Unschärfe durch die Bildfeldwölbung zeigen. Das gilt nicht nur vom üblichen Zwischenbild von 18 mm Durchmesser, sondern auch für größere bis zu 28 (!) mm, die von den sog. Großfeldokularen dargestellt werden. Solche Okulare passen nicht mehr in den Standard-Okulartubus von 23,2 mm Normdurchmesser, besondere Mikroskoptypen sind dafür erforderlich. Seit einigen Jahren bieten viele Mikroskophersteller auch "Planobjektive" an, die nicht ein so großes Bildfeld plan abbilden. Sie tragen unterschiedliche Bezeichnungen, z. B. F oder FF (Flat Field), C Plan, D Plan oder ähnlich. Sie sind wesentlich preisgünstiger als echte Planobjektive. Es handelt sich nicht um ein im strengen Sinne völlig, sondern "weitgehend geebnetes Bildfeld". Die Bedeutung der verschiedenen Abkürzungen in den Firmenschriften sollte man genau studieren.

Sind diese neuen Objektivtypen nun der letzte Schrei für uns, sind normale, mit Bildfeldwölbung behaftete Achromate, Fluoritobjekte und Apochromate "mega-out"?


Planobjektive für flache Objekte

Für wen und für welche Art von Objekten ist es denn überhaupt wichtig, daß man bis zum Rand alles scharf erkennen kann bzw. die Fotos randscharf sind? In erster Linie brauchen das Mikroskopiker, die völlig plane Objekte durchmustern oder fotografieren, z. B. in der klinischen Medizin: Blut- und Bakterienausstrichpräparate oder großflächige histologische Schnitte. Da werden mit raschem Rundumblick bis zum Bildrand Präparate nach Krankheitserregern oder Anomalien durchmustert, ohne daß man am Feintrieb nachstellen muß. Oder bei der Qualitätskontrolle in der Mikrochip-Herstellung - dort sind es Auflichtobjektive.

Aber schon ein passabel gelungener Handschnitt durch einen Pflanzenstengel ist nicht ganz plan, von sogenannten ausgekeilten ganz abgesehen. Da müssen wir schon kräftig nachfokussieren. Auch wenn an und für sich sehr plane Mikrotomschnitte nicht völlig waagerecht in der Einschlußmasse liegen, hilft uns ein Planobjektiv nicht. Selbst wenn wir ein wirklich planes Schnittpräparat fotografieren wollen, ist fraglich, ob es bis zum Bildrand scharf abgebildet werden muß. Doch wohl nur, wenn wir das Bild kommerziell verwerten wollen - vielleicht als Abbildungsbeispiel für die Qualität von Planobjektiven. Wenn wir das Bild als Dia projizieren wollen, ist da wirklich ein Planobjektiv erforderlich, bei der Projektion auf eine Leinwand, die selbst an den Rändern etwas gewölbt ist, bei mangelhafter Scharfeinstellung des Projektors, der wärmebedingten Durchwölbung des Dias (Ploppen) und der nicht unerheblichen Abdeckung der Dia-Ränder durch den Diarahmen?


Braucht der Planktonfreund Planobjektive?

Er hat es hauptsächlich mit sphärischen Objekten zu tun, fast alle Mikroorganismen haben eine mehr oder weniger kugelige Gestalt. Ihre Köperränder können ohnehin nicht scharf abgebildet werden, da sich dort mehrere Schärfenebenen und Objektdetails im Bild überlagern. Die mit großem technischen und finanziellem Aufwand erreichte Bildfeldebnung des Objektivs ist da ganz wirkungslos.

Die Skizze macht es deutlich. Nehmen wir an, es handle sich um "körperliche" Objekte, zum Beispiel kugelige Algen oder vollgefressene Wimpertiere. Die Schärfeebene A, die der Objektoberfläche am nächsten kommt, ist die eines Planobjektivs. Ein Objektiv ohne den Zusatz "plan" hat eine mehr oder weniger deutlich gewölbte Schärfen"ebene", das Bild liegt sozusagen auf der Innenwand einer Hohlkugel, dargestellt durch den Schnitt durch die gekrümmte Fläche B. Wohin auch immer wir beim Fokussieren die Schärfeebene B legen, dort wo sie in der Skizze zu sehen ist, dorthin wo in der Skizze die plane Ebene A liegt oder noch höher: der Unterschied zwischen A und B im optischen Bild bleibt bei dieser Art sphärischer Objekte unerheblich, überhaupt nicht wahrnehmbar. Noch dazu haben wir es ja oft gar nicht mit einem einzelnen Objekt zu tun, sondern mit mehreren Organismen gleichzeitig, die sich zudem in unterschiedlichen Wassertiefen bewegen, so daß sie ohnehin nie alle auf einmal scharf zu bekommen sind. Auch in solchen Fällen bietet ein Planobjektiv keine Vorteile. Bei der subjektiven Betrachtung erst recht nicht, weil wir ja nach einer kleinen Drehung des Feintriebknopfes auch den Rand scharf sehen können.


Funktionsskizze Planobjektiv


Wasserwesen sind weitgehend "hyalin", gläsern-durchsichtig, zeigen im Mikroskop nur geringen Kontrast, wir müssen die Aperturblende um ein Drittel, mitunter gar bis zur Hälfte zuziehen. Dabei verlieren wir durch Beugung der abbildenden Lichtstrahlen zwar an allgemeiner Schärfe (Auflösung), aber die Abbildungstiefe (Schärfentiefe) wird größer, so daß die Randunschärfe infolge Bildfeldkrümmung durch das Abblenden zum Teil kompensiert wird. (Wenn wir kräftig gefärbte Schnitte betrachten oder fotografieren, öffnen wir hingegen die Blende bis zur maximalen Apertur des Objektivs.)


Und wenn man eine "günstige Gelegenheit" bekommen kann?

Heutzutage gilt das Argument nicht mehr, daß Planobjektive wegen des großen optischen Aufwandes eine ganz allgemein bessere Bildfehlerkorrektur als einfache Achromaten hätten. In den letzten 15 Jahren hat die optische Technik durch neue Glassorten bei den einfachen Achromaten aufgeholt. Schärfezeichnung und Kontrast sind bei renommierten Herstellern untadelig. Und für Fluoritobjektive oder Apochromate gilt dieses Argument sowieso nicht. Bevor wir also Planobjektive höherer Preislagen erwerben, sollten wir mit den von uns bevorzugten Objekten einen Test machen, ob es sich wirklich lohnt, oder ob wir uns auf Objekte konzentrieren wollen, für die eine solche Geldausgabe unnötig ist.

Vor dem Gebrauchtkauf von älteren Planobjektiven muß sogar gewarnt werden, besonders solchen mit vielen Linsen wie bei Planapochromaten. Es ist gut, solche Objektive vor dem Kauf nach Strich und Faden zu testen. Viele ältere, die noch aus der Zeit stammen, als man keine Antireflexschichten auf Mikroskopobjektive auftrug , aber auch solche aus der ersten Zeit danach, bieten zwar höchste Auflösung, also ein scharfes Bild. Doch ist es gerade bei kontrastlosen Wasserwesen infolge der Reflexion an vielen Linsenoberflächen ohne rechten Kontrast: Das Bild ist durch Überstrahlung im Objektivinneren flau, was hauptsächlich an den vielen reflektierenden Glasoberflächen liegt. Man muß das jeweils ausprobieren. Die neueren Objektive hingegen bilden mit hohem Kontrast ab, die Gläser lassen alle Farben gleich gut durch, brillante und farbgesättigte Bilder sind das Ergebnis. (Der bei Carl Zeiss Jena 1935 erfundene Antireflexbelag, den wir auch von Fotoobjektiven kennen, wo er meist einen bläulichen bis purpurnen Schimmer verursacht, wurde erst nach dem 2. Weltkrieg eingeführt, vorher aber als kriegswichtiges Geheimpatent behandelt.)

Vielen Amateurfotografen wird noch gar nicht aufgefallen sein, daß auch ihr Teleobjektiv nicht plan zeichnet, d. h. die scharf abgebildete Fläche gekrümmt ist wie die Innenseite einer Kugel. Auch auf sehr teure Spitzenobjektive, z. B. für die Leica, trifft das zu. Würden lange und superlange Brennweiten (für Kleinbild etwa 180 bis 1000 mm) nämlich plan gerechnet und gebaut, wären sie wegen der zusätzlichen Linsen viel zu schwer - und unbezahlbar. Auch hier nimmt man die Bildfeldwölbung bewußt in Kauf. Die fotografierten Objekte befinden sich bei Fernaufnahmen ja ohnehin meistens in der Bildmitte, und bei Architekturaufnahmen mit langen Brennweiten muß man abblenden, wodurch dieser Bildfehler infolge der Schärfentiefe nicht sichtbar ist.

Wer keine bis an die Bildränder scharfen Mikrofotos braucht, sollte deshalb überlegen, ob nicht ein gutes Fluoritobjektiv sinnvoller ist als ein Planobjektiv. Wenn der Astigmatismus am Bildrand gut auskorrigiert ist, hat man auf jeden Fall bei der subjektiven Betrachtung mehr davon als von einem randscharfen Planobjektiv-Bild, in welchem Objekte, die an Rande des Bildfeldes liegen, zwar scharf, aber infolge des Astigmatismus nicht mehr sehr "ähnlich" sind.

Der Unterschied zwischen einem Achromaten und einem Fluoritsystem oder Apochromaten kann von wesentlich größerer Bedeutung sein als zwischen Achromat und Planachromat, auch in der Mikrofotografie. Aber darüber ein andermal mehr.


Dieser Artikel wurde erstmals in unserer Vereinszeitschrift µ Nr. 5 (November 1996) veröffentlicht.



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