100 Jahre      Mikrobiologische Vereinigung München e. V.     1907 - 2007
 


Über Mikrofotografie

Die ideale Kamera für die Mikrofotografie?

Serie von Klaus Henkel


Die Kamera, die alles hat und kann, was im letzten Beitrag aufgezählt wurde, gibt es wohl nicht. Darum müssen wir Kompromisse machen, auch wenn wir eine fünf bis zehn Mal teurere, spezielle Mikroskop-Kamera von einem Mikroskophersteller wählen. Besonders viele Kompromisse erfordert eine Kamera, die wir gleichermaßen für Mikrofotografie, stationäre Lupenaufnahmen, Freihand-Makrofotografie in Wald und Feld und als Familien- oder Reisekamera verwenden wollen. Das ist aber wohl der falsche Weg. Ich würde heute lieber zwei für verschiedene Zwecke "maßgeschneiderte" wählen als eine angeblich universelle, für alle Zwecke geeignete, die unter Umständen viel teurer ist als zwei oder gar drei spezielle zusammen. Wer noch unsicher ist, welche Ausstattungsdetails ihm in der Fotopraxis am Mikroskop oder bei Makroaufnahmen wertvoll sind und auf welche er verzichten möchte, kann es ja zunächst mit einer billigen Gebrauchten versuchen.

Viele Mikrofotografen ziehen die Olympus-Modelle OM 2 (N), OM 3 (TI) und OM 4 TI vor. Die OM "4" (ohne "TI"), die oft gebraucht angeboten wird, weniger – ihre Elektronik war nicht zuverlässig, deshalb wurde sie bald durch die TI ersetzt. Die OM 4 T, die ebenfalls auf dem Gebrauchtmarkt erscheint, ist mit der TI identisch, es ist die TI des US-Marktes.

Ich arbeite ebenfalls mit der OM 4 TI, verschmähe aber eine OM 2 nicht. Für mich mit ausschlaggebend für die Wahl der OM sind ihre ausgesprochen fachkundig und stabil gemachten Zubehörteile und -einrichtungen für die Freihand-Makro- und die stationäre Lupenfotografie. Der Konstrukteur fast aller Teile wie auch der OM-Kameras selbst, Herr Maitani in Tokyo, ist ein begeisterter und erfahrener Makro- und Lupenfotograf, deshalb ist alles praxisgerecht. Es erscheint mir aber zunehmend schwierig, davon etwas von Olympus geliefert zu bekommen. (Hierzu siehe den Kasten am Schluß dieses Beitrages!)

Brenner Foto Versand GmbH, Postfach 12 60, 92602 Weiden, Tel. 0961 / 6 70 60 90, bietet noch immer die Praktica BX 20 S zu DM 549,– (Gehäuse) an. Ich erwähne diese Kamera deshalb, weil sie mit der Blitzsteuerung der Olympus OM kompatibel ist und denselben Metz-SCA-Blitzadapter verwendet. Wie das kommt? Dieses elektronische System, das noch während einer Blitzleuchtdauer von 1/50.000 Sekunde ständig durch das Kameraobjektiv mißt, ob das Blitzlicht den Film ausreichend belichtet hat und den Blitz dann rechtzeitig abschaltet, ist von Pentacon in Dresden entwickelt worden. Diese TTL-Blitzsteuerung hat die fotografische Technik wohl stärker verändert als irgendeine andere Innovation der letzten Jahrzehnte. Pentacon selbst konnte sein Patent nicht nutzen, weil man die dazu notwendige hochpräzise Technik und Fertigung nicht realisieren konnte, und verkaufte das Patent an Minolta. Auch Minolta konnte damit zunächst nichts anfangen, verkaufte es weiter an Canon, von denen erwarb Olympus eine Lizenz und machte daraus die "autodynamische Meßsteuerung". Die Praktica hat einen Langzeitenverschluß bis 30 sec. Für die Mikrofotografie möchte ich sie nicht direkt empfehlen, ihr Verschluß schlägt doch ziemlich stark und laut. Aber als "Zweitgehäuse" für Olympusbesitzer ist sie preiswert und auch stabil gebaut.

Die Minolta X-700 wird ebenfalls gerne verwendet. Sie hat eine sehr gute und brauchbare Ausstattung, ist robust gebaut und preiswert. Als Einschränkung gibt Günther Beyer-Meklenburg aus Berlin an, daß sie mit verlängerten Kabeln am Metz-Blitz nicht zuverlässig funktioniert. Bei Verwendung eines Blitz-Doppelkollektors für die Mikrofotografie müssen nämlich das Blitzrohr herausoperiert und dessen Anschlußdrähte verlängert werden. Aber anstelle eines Doppelkollektors kann man einen Mikroblitz nach Bauart Stahlschmidt wählen. (Das wird in einem der nächsten Beiträge näher erläutert.) In diesem empfehlenswerten Fall und bei der Mikrofotografie ohne Blitzlicht auf dem Mikroskop oder bei Makroaufnahmen arbeitet die X-700 so zuverlässig wie sonst auch. Von der Konstruktion her ist sie schon etwas betagt, sie wird seit 1982 unverändert gebaut, der alte Leica-Gummituchschlitzverschluß stammt vom Konstruktionsprinzip her, ebenso wie der in den OM-Modellen von Olympus, aus den zwanziger Jahren, aber die Kamera ist bei Fotofreunden, die sich auskennen, noch immer ein "Renner". Auch für die Minolta X-700 gibt es sehr preiswerte "Zweitgehäuse": Zum einen die kleinere Schwester X 370 S (keine TTL-Blitzautomatik) DM 350. Gebraucht bekommt man auch die "mittlere" X 500 billig (um 150 bis 250 Mark, mit Blitz-TTL). Zum anderen bietet ebenfalls Foto Brenner die Gehäuse der chinesischen Seagull DF 99 und DF-300X für 229,– und 299,– Mark an. Die letzte ist baugleich mit der japanischen Minolta X 370 S. Alle Minoltaobjektive etc. verwendbar.

Johann Pock in Riedlingen verwendet eine Canon EOS 1. Er berichtet über gute Erfahrungen und daß die automatische TTL-Blitzsteuerung einwandfrei funktioniert.

µ-Leser Wolfgang Posselt in Walsrode arbeitet mit der Contax RTS 3. Die Kamera ist gut geeignet. Er betreibt den Blitz allerdings am normalen Synchronkontakt der Kamera, d. h. ohne Computerfunktion und TTL-Steuerung. Er verwendet zur Belichtungsbestimmung statt dessen die sehr exklusive Meßblitzfunktion der Kamera, auch bei Makroaufnahmen. Der Vorteil: Man kann starke Blitzgeräte mit Leitzahl 90 verwenden. Für die TTL-Computersteuerung des Blitzes benützte er bisher den Zeiss Mikroblitz III, der mit Contax-Kameras zusammenarbeitet, nimmt neuerdings aber auch den Stahlschmidt-Blitz.

Im folgenden sind noch einige weitere Kameramodelle genannt, die zur Zeit neu oder gebraucht angeboten werden und anscheinend eine für die Mikrofotografie brauchbare Ausstattung haben. Welche Kompromisse sie erfordern, muß jeder für sich selbst entscheiden, wozu die Aufzählung der wünschenswerten Funktionen in der letzten µ-Nummer die notwendige Hilfe geben mag. Spitzenmodelle von Leica, Contax, Canon, Nikon, Minolta ... führe ich nicht auf. In der Regel besitzen sie eine Vielzahl der geforderten Eigenschaften, so daß bei ihnen Kompromisse kleiner sind, aber auch der Geldbeutel leerer. Die Preise für das nackte Gehäuse ohne Objektiv liegen zwischen 3000 und 4500 Mark. Wer eine solche Kamera im Sinn hat, sollte sich selber intensiv mit Fotofragen befassen und gehört deshalb eigentlich nicht zu meiner heutigen "Zielgruppe". Eine gebrauchte Spiegelreflex von Minolta, Pentax, Contax zwischen 300 und 800 Mark macht keine schlechteren Bilder auf dem Mikroskop.

Nun einige Kameras mit Belichtungsmessung und Zeitsteuerung, TTL-Blitzsteuerung, mit oder ohne Autofokus. Preise: Zirka-Preise für Gehäuse ohne Objektiv.

Olympus OM 2(N) (Einführungsjahr 1976) gebraucht ca. 450 bis 700, Olympus OM 4 TI neu ca. 2400, gebraucht 1000 bis 1700, Minolta X-700 (Einführung 1982), mit Abblendtaste für Makro, aber ohne Spot-Belichtungsmessung, neu 600, gebraucht 400. Contax 167 MT (mit Abblendtaste) gebraucht 700. Diese vier Modelle halte ich für sehr geeignet.

Außerdem könnten folgende Modelle interessant sein: Minolta Dynax 505 si (ohne Abblendtaste), Gehäusepreis neu ca. 600; Nikon F3 gebraucht 2000, Contax Aria neu 1500, Pentax MZ-3 Quartz Date und MZ-5N (mit Abblendtaste) neu 900 und 500. Pentax LX gebraucht 1400. Sigma SA-5 (mit Abblendtaste und Spiegelvorauslösung!). Wer sucht, findet noch weitere geeignete Modelle, z. B. bei Minolta, Canon und Nikon in den höheren Preislagen. Ich selbst will keine solche Angaben machen, da meine aktuellen Kenntnisse dazu nicht ausreichen. Aber Erfahrungsberichte von Lesern werden gerne in µ weitergegeben. Für OM, X-700, F3, LX sind sehr gute Klarscheiben mit Doppelfadenkreuz erhältlich, nicht nur solche mit "Klarfleck" in der Scheibenmitte!

In der letzten Zeit habe ich etwas intensiver in Fotozeitschriften geblättert als sonst, um noch etwas Stoff für diesen Beitrag zu gewinnen. Allzuviel neues habe ich dabei nicht entdeckt, zu schnell kommen beinahe allmonatlich neue Modelle auf den Markt, die sich nur mininal unterscheiden, meist in der Handhabung. Doch gerade dazu möchte ich einige warnende Hinweise geben.

Manche kleinen elektronischen Monster kommen mit ungewöhnlichen Filmlängen (z. B. selbst konfektionierte oder "24+3" nicht zurecht, wenn es ans Zurückspulen des belichteten Films geht. Es ist immer wieder ein belebender Augenblick, wenn die Kamera samt Blitz und Kabelgewirr am Mikroskop montiert ist und irgendeine Elektronik blockiert oder tut nicht das, was sie sollte.

Wer mit einer Autofokuskamera auf dem Mikroskop liebäugelt, sollte vor dem Kauf genau ausprobieren, wie sie mit abgeschalteten Autofokus arbeitet. Ob nur der Autofokusmotor abgeschaltet wird oder auch die dazugehörige Meß- und Rechenelektronik. Die Minolta "Dynax 505 si Super Panorama QD" z. B. hat eine Auslöseverzögerung (Druck auf den Auslöser bis Öffnung des ersten Verschlußvorhangs) von fast einer Sekunde, wobei sie vier Zehntel der Verzögerungszeit nur rechnet und ein Zehntel für die eigentliche Fokussierung des Objektivs braucht. Für Liebhaber von flotten Rädertieren und anderen Flitzern ist das eindeutig zu lang.

Wer Wert auf eine kurze Blitzsynchronzeit legt, weil ihm die 1/60 s der Olympus OM oder der Minolta X-700 zu lang ist, blättere in den Fotozeitschriften nach, ob es zur ins Auge gefaßten Kamera einen technischen Testbericht gibt. Z. B. macht 1/125 s dann nicht viel Sinn, wenn die Kamera daraus 1/80 s macht (Nikon F 60). Diese Eigenart, ausgerechnet die Synchronzeit nicht einzuhalten, sondern zu verlängern, ist mir auch von anderen Modellen bekannt geworden.

Wer nicht blitzt, sondern häufig mit Belichtungszeiten von zwei Sekunden und länger fotografiert, achte auf die Betriebskosten. Lange elektronisch gesteuerte Belichtungszeiten sind Stromfresser. Ein schmaleres Hobby-Budget kann dabei voll und ganz für die teuren Lithiumbatterien draufgehen! Für manche intelligent gemachte Kamera ist wahlweise ein Batteriefach für die gewöhnlichen, preiswerten Mignonbatterien erhältlich.

Will man Freihand-Makroaufnahmen "im Feld" machen, achte man auf die Bedienungstasten und Rädchen. Wenn die Kamera mit rechts und links je einem Blitzgerät, Reflexschirm, Blitzschienen usw. ausgestattet, also in voller Montur ist, müssen die Hände fest um Kamera und Blitzschiene z. B. greifen – und nicht mehr loslasen, ganz besonders, wenn der Untergrund nicht sehr trittfest ist. Alle wichtigen Bedienungselemente müssen sich dann alleine mit dem Zeigefinger und Daumen der rechten Hand erreichen und einstellen lassen! Manche Kameras haben auf der rechten Oberseite, links neben einem LCD-Display Knöpfe, die entweder mit der linken Hand gedrückt werden müssen oder durch Umgreifen mit der rechten. Solche Handbewegungen führen bei Insektenaufnahmen zu sofortiger Flucht des Fotomodells.

Gehäuseteile aus Plastik. Was gibt es nicht inzwischen alles aus Kunststoff! Auch gegen ein Kunststoffbajonett an einer Kamera ist nichts einzuwenden, wenn der Fotofreund zu Beginn der Urlaubsreise sein Universal-Zoomobjektiv ins Bajonett klinkt und kein anderes mitnimmt. Beim Mikrofotografen ist das anders, sofern die Kamera nicht ausschließlich diesem Zweck dient. Der Makrofreund nimmt sie noch mehr her: Zwischenringe, Balgengeräte, Makroobjektive und was sonst noch wechseln sich ab, und die Objektivbajonette sind infolge der rauheren Behandlung "im Feld" auch nicht im Zustand 1A, schaben schon einmal am Bajonettring. Die geringe Paßgenauigkeit von preiswerten T2- oder T4-Adapterbajonetten, die der Makrofotograf öfter einmal benützt, kann einem Kunststoffbajonett schon zusetzen. Vor noch nicht vielen Jahren zeigten die SLR-Hersteller in ihren Hochglanzprospekten voller Stolz ihre hochglanzpolierten Kamerabajonette aus doppelt gehärtetem Spezialstahl, und es wurden wahre Glaubenskriege um die Frage geführt, ob ein nur mit drei Schrauben befestigtes Bajonett so gut sein könne wie eines mit vier oder fünf. Heute hat das Erfolgsmodell Canon EOS 300 ein Kunststoffbajonett, und man muß froh schon sein, wenn wenigstens die Filmführungen aus poliertem Metall sind.

Auch mancher Schneckengang in der Objektivfassung ist inzwischen aus Kunststoff. Es ist deshalb besser, von der vor einem Jahrzehnt propagierten Methode Abstand zu nehmen, mit der Makro-Blitzgeräte samt ihren Haltestangen mittels eines Gewinderinges im Filtergewinde des Objektivs montiert wurden. Daß damals beim Ausprobieren ein Leica Macro-Elmarit 60 mm zum Preis von 4.000 Mark keinen Schaden nahm, ist bei dessen Stabilität und Spielfreiheit in den Schneckengängen erklärlich. Ein "modernes", wesentlich preiswerteres Objektiv würde ich aber vorsichtigerweise nicht so malträtieren. Auch Novoflex ist von dieser Befestigungsart wieder abgekommen.


Dieser Artikel wurde erstmals in unserer Vereinszeitschrift µ Nr. 16 (September 1999) veröffentlicht.



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