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Diatomeen im Dunkelfeld

Diatomeen

Die Diatomeen sollen hier nur Beispiel sein, womit sich ein Hobby-Mikroskopiker beschäftigen kann. Es gibt Legionen andere Organismen und Möglichkeiten, doch nur einen begrenzten Raum auf unserer Homepage.

Diatomeentafel von Eyfert-Schoenichen

Diatomeen (Kieselalgen) sind einzigartige Lebewesen der Superlative. Sie sind einzellige Pflanzen mit einem durchsichtigen Glasgehäuse (Kieselsäure) in Leichtbautechnik. Von den etwa 35.000 Algenarten sind mindestens 12.000 Arten allein Diatomeen.

Sie sind auch die zahlreichsten Algen auf der Erde. Sie besiedeln als Plankton in unvorstellbaren Mengen das freie Wasser des Meeres, den größten Lebensraum der Erde. Bei den 71 % der Erdoberfläche, die das Weltmeer einnimmt, bildet diese Schicht den größten zusammenhängenden Lebensraum für Pflanzen. Tausende bis Millionen Diatomeen schweben in einem einzigen Liter Meerwasser als Phytoplankton. Auch wenn die Extremwerte nur zu bestimmten Zeiten des Jahres auftreten, so darf doch angenommen werden, daß die Diatomeen die häufigsten autotrophen Pflanzen der Erde sind. Auch in jedem Fluß, Bach, überrieselten Felsen, See und Tümpel leben sie, in der Blumenschale, in den winzigen Wassertröpfchen zwischen Bodenkrümeln im Acker und im Sand.Diatomeen im Hellfeld Fast alle Arten sind mikroskopisch klein, die kleinsten sind nur wenig größer als ein bis 2 Tausendstel Millimeter (1-2 µm), die meisten Süßwasserformen sind zwischen 10 und 100 µm lang. Manche Meeresformen können einen Durchmesser von 2 mm erreichen. Als erste in der Nahrungskette sind sie Grundlage der Ernährung vieler winziger und größerer Meerestiere.

Ihre hohe Produktionsleistung an organischer Substanz (Primärproduktion) macht sie zu den wichtigsten Pflanzengesellschaften der Erde. Die gesamte organische Primärproduktion durch Pflanzen auf der Erde wird auf ca. 100 Milliarden Tonnen organischen Kohlenstoff jährlich geschätzt. Davon entfallen etwa 40 % auf das Phytoplankton des Meeres, das wiederum in den produktivsten Gebieten völlig von den Diatomeen beherrscht wird.Diatomeentafel von Ernst Haeckel Man schätzt grob, daß die Diatomeen allein etwa 20 bis 25 % aller organischen Primärproduktion der Erde hervorbringen. Das entspricht der Menge, die von den riesigen Nadelwäldern auf der Nordhalbkugel der Erde produziert wird.

Wenn die schützende organische Hülle abgestorbener Diatomeen zersetzt ist, lösen sich auch die Kieselschalen meist langsam auf. Dennoch erreichen die dickeren Schalen den Meeresgrund, wie gewaltige fossile Lager von Kieselgur oder Diatomit beweisen. Solche Lagerstätten findet man in den ehemaligen Meeresbecken des Tertiärs und Pleistozäns. In der Lüneburger Heide oder in Kalifornien bilden sie mehrere hundert Meter dicke Schichten. In den Weltmeeren sind insgesamt 30 Millionen Quadratkilometer des Meeresbodens mit Diatomeenschlick bedeckt. Man nützt Kieselgur als Schleifmittel, für die Filtration von Bier und Wein und als Substrat für Kosmetika. Früher brauchte man es für die Herstellung von Dynamit.

Diatomee im REM

Auch im Boden leben große Mengen Kieselalgen. Die Mengenangaben schwanken stark, zwischen 100 Millionen Zellen je Kubikzentimeter (!) Erde (B. & W. Hickel 1980) und 80.000 je Kubikzentimeter guter Blumentopferde (Francé 1913). Sie spielen dort eine wichtige Rolle im Stickstoffhaushalt.

Kieselalgen sind trotz ihrer Einzelligkeit keine primitiven Lebewesen. Dagegen spricht, daß sie einen doppelten Chromosomensatz haben, also diploid sind wie alle höheren Pflanzen und Tiere. Auch ihre komplizierte geschlechtliche Vermehrung spricht dagegen.

Diatomee, Schemazeichnung

Ihre gläsernen Kieselsäuregehäuse sind wie Spanschachteln aufgebaut, mit einem Unterteil und dem es überragenden Deckel. In der Regel vermehren sie sich vegetativ durch Zellteilung, dabei trennen sich Boden- und Deckelteil. Dann bilden beide je ein neues Unterteil aus. So werden diejenigen Individuen, die aus Unterteilen hervorgehen, im Laufe der Generationen immer kleiner, bis sie eine für jede Art spezifische Grenzgröße unterschreiten und ihre Lebensfähigkeit verlieren. Dann vermehren sie sich zur Abwechslung sexuell: Zwei Mutterzellen legen sich aneinander und jede bildet eine Keimzelle aus,Pleurosigma angulatum die nun die aufklappenden Schalen verlassen und wechselseitig kopulieren, d. h. Zellinhalte austauschen. Sie wachsen dann und bilden von neuem ein Glasgehäuse in Normalgröße. Doch gibt es auch noch andere "Techniken", mit denen sie die Verzwergung vermeiden.

Die meisten "länglichen" Diatomeen gleiten wie kleine Schiffchen durchs Wasser oder kriechen ruckelnd dahin. Seit über 200 Jahren hat man über diese Bewegung gerätselt. Erst vor wenigen Jahren wurde sie aufgeklärt.

Die Lebensbedingungen vieler Diatomeenarten sind heute recht gut bekannt. Deshalb eignen sie sich grundsätzlich auch als Wassergüteanzeiger.

Diatomeen weisen in ihrer Schalenkonstruktion Feinststrukturen auf, die auch von der heutigen fortgeschrittenen "Nano-Technik" an Feinheit und Regelmäßigkeit noch nicht annähernd nachgeahmt werden können. Deshalb dienen die Schalen bestimmter Diatomeenarten als Testobjekte für das Auflösungsvermögen bzw. die Leistung von Mikroskopobjektiven.



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